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Das 32. Nationale Rumänische Theaterfestival (NTF) fand vom 5.-13. November d.J. in Bukarest erstmalig wieder live statt.
(von Dieter Topp)Beim der diesjährigen Ausgabe des NTF, „Fragile Grenzen – Fließende Übergänge“, galt es, relevante ästhetische Ansätze und Trends im rumänischen zeitgenössischen Theater aufspüren. Ein Team von drei Kuratoren (Mihaela Michailov, Oana Cristea Grigorescu, Calin Ciobotari) zeichnete für die aktuelle Ausgabe mit Produktionen der letzten Saison verantwortlich.
„Fragile Grenzen“ diente zur Beobachtung hybrider Ästhetiken: Überschneidungen verschiedener Genres, Integration von Technologien, Hybridisierung ästhetischer Territorien sowie die Beschäftigung mit Künstlern einer dynamischen und mutigen Poetik.
„Fließende Übergänge“ umfasste Veranstaltungen, die die Beziehung zur Vergangenheit neu beleuchten und die Gegenwart in Frage stellen, kollektive und familiäre Geschichten aus subjektiven Blickwinkeln betrachten und kontroverse Episoden der offiziellen Geschichte hinterfragen sollten. Performative Installationen und Online-Kreationen erfolgten als Reaktion auf verschiedene Veränderungen der künstlerischen Sprachen während der Pandemie.Museale Inszenierungen vermied man tunlichst. Die Herausforderungen unserer Zeit, „die sich nicht hinter einer reinen Ästhetik oder einem Minimaldiskurs verstecken, sondern die vor Leben und dem Willen, etwas zu tun und zu verändern, pulsieren, sei es auf individueller, familiärer oder gesellschaftlicher Ebene“… standen im Vordergrund.
„Wir bewunderten die Frische der gewählten Themen, aber auch den Mut, Tabuthemen oder oberflächlich behandelte Themen frontal anzugehen“ – ein kühnes Vorhaben mit einiger Luft nach oben (A.d.A).Dass schauspielerische Leistungen bei einem derartigen Festival eine Rolle spielen, sollte sich von selber verstehen, wurde aber ganz besonders hervorgehoben, da die Kuratoren der Ansicht waren, dass neue Theaterästhetik, die unser Jahrhundert hervorbringt, den Darsteller nicht in der Hintergrund dränge, sondern im Gegenteil dazu aufrufe, die szenische Stimme des Menschlichen zu festigen, zu hinterfragen und zu enthüllen.
Unabhängig von Formen und Themen richte sich das Festival nicht nur an die Eliten, sondern auch an das sogenannte Durchschnittspublikum (ein Begriff, der soziologisch mehrdeutig, aber unter dem Gesichtspunkt der Offenheit, die die Theaterkunst seit jeher an den Tag lege, wichtig sei). „Wir sind der Meinung, dass das NTF auch diese Projektion für das ,allgemeine Publikum‘ haben und die Erwartungen einer vielfältigen Anzahl von Zuschauern berücksichtigen muss“, hieß es weiter.
Bei der Auswahl der Aufführungen wurde auf ein „gewisses vernünftiges regionales Gleichgewicht“ geachtet. „Die heutige Theaterrealität zeigt, dass überall im Land Theater von guter Qualität entsteht und dass Hierarchien wie Peripherie-Zentrum oder national-lokal überholt sind.“
Erfreulicherweise sprach man sich in dieser Ausgabe expressis verbis für eine internationale Sektion aus. In früheren Festivals zogen es einige der rumänischen Kritiker – nicht nur der älteren Generation – vor, die Betonung nur auf „national“ zu legen. Darauf lautete die diesjährige Antwort: „Wir hielten es für notwendig, diese Sektion als direkte Antwort auf die sozialen und politischen Unruhen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Nähe aufzunehmen.“
So gab es wichtiger und richtiger Weise ein „Ukrainisches Manifest“, ein künstlerisches Format, das zwei Fotoausstellungen, eine Performance und eine Debatte umfasste.
In der gleichen internationalen Sektion wurden Performances von Regisseuren aus Rumänien und der Republik Moldau berücksichtigt, die in der letzten Saison in Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden und Serbien auftraten. Ihr Schaffen sei wertvoll, da es das rumänische Theater auf europäischer Ebene sichtbar mache. Es gab hierin zudem Werke, die sich mit Kolonialismus, Dystopie und akuten sozialen und politischen Veränderungen beschäftigten.Zum ersten Mal widmet das NTF der Präsenz der darstellenden Künste in Schulen und Gymnasien besondere Aufmerksamkeit, einschließlich Workshops und Treffen für Studenten von Universitäten und Kunstschulen. „Ein nationales Festival sollte auch Plattform für künstlerische Bildung sein, ein Rahmen für die Ausbildung des jungen Publikums und die Schaffung von transformativen Begegnungen, ein Kontext, um die Konsolidierung der Beziehung zwischen zeitgenössischer Kunst und Bildungsumgebungen zu begünstigen.“
Öffentliche Lesungen mit aktuellen Texten fanden ihr Publikum, auch mit rumänischen Kurztexten als Ergebnis eines vom NTF ausgeschriebenen Autorenwettbewerbs und einer Schreibwerkstatt für Dramatiker.
Hinzu kamen Debatten, Ausstellungseröffnungen und eine Theaterbuchmesse, auf der wichtige Neuerscheinungen vorgestellt und Begegnungen mit ihren Autoren möglich wurden.
Beinahe alle Vorstellungen waren bereits im Vorhinein ausverkauft, so dass sogar geladene Gäste schonmal draußen bleiben durften. Auch bei einigen Pannen, d.h. bei Stücken, die nicht so unbedingt in den gestecken Rahmen passten, war zumindest der Zuspruch des heimischen Publikums gegeben.
Ohne Gewähr auf Vollständigkeit bewiesen die folgenden Regisseure ihr Können: Gianina Carbunariu, Radu Afrim, Declan Donnellan, David Schwartz, Mihai Pacurar, Vlaicu Golcea, Radu Nica, Vlad Massaci, Leta Popescu, Catinca Draganescu, Dragos Alexandru, Musoiu, Petru Hadarca, Adina Lazar, Ioana Marchidan, Alex Mihaescu, Andrei Majeri, Cristi Juncu, Radu Popescu, Marina Hanganu, Ovidiu Caita, Felix Alexa, Gabor Tompa, Nicoleta Esinencu, Bobi Pricop, Ada Milea, Florin Caracala, Silviu Purcarete, Mariana Camarasan, Botond Nagy, Eugen Jebeleanu, Carmen Lidia Vidu, Alexandru Weinberger-Bara, Andrei & Andreea Grosu, Razvan Mazilu, … (in der Reihenfolge ihrer Vorstellungen während des Festivals).
Fazit: Ein überquellendes Angebot, ein Marathon des Theaters, als gelte es, verlorene Jahre in diesem einen Festival aufzuholen, ließen wenig Zeit zu verschnaufen, was die Lust auf mehr von Tag zu Tag steigerte: Ein voller nationaler Erfolg für die Macher mit internationaler Ausstrahlung, ein weiterer farbiger Stein im Mosaik zu einem positiven rumänischen Image. Dazu gilt es den Veranstaltern zu gratulieren. Zu den einzelnen Veranstaltungen gibt es eine spezielle und ausführliche Internetseite. Es würde den Rahmen sprengen, diese einzeln aufzuführen. www.fnt.ro
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„Fragile Grenzen – Fließende Übergänge“ – Nationales Theaterfestival in Bukarest
veröffentlicht am 14. November 2022 in der Rubrik Presse - News
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